Mercedes-Benz 190 SL
Ein Traumwagen wird fünfzig
Die Geburt des SL-Mythos à la Mercedes-Benz fand in New York statt. Dort präsentierte die Stuttgarter Automobilmarke im Februar 1954 auf der „International
Motor Sports Show“ gleich zwei der heute längst legendären SL-Modelle: Das
Flügeltürer-Coupé 300 SL und den offenen 190 SL.
Der 300 SL begeisterte das Publikum mit seinen markanten „Gullwings“ und den Leistungen eines reinblütigen Rennsportwagens. Der 190 SL hingegen begründete die Roadster-Tradition der Stuttgarter Automobilmarke, denn er stellte sich den New Yorkern bereits als Open-Air-Sportwagen mit Faltverdeck vor – und er entzückte das amerikanische Publikum von Anfang an. Als eleganter Sportwagen aus renommiertem Hause mit aufregendem Design und attraktivem Preis erfüllte er seine automobilen Wünsche perfekt. Auch in Europa reagierte die Fachwelt begeistert auf diesen ersten Auftritt des kleinen Bruders des hochkarätigen 300 SL. Schließlich ähnelte er ihm stark und profitierte so von dessen auf den Rennstrecken erworbenem Mythos.
Ein Rennsportwagen wollte der 190 SL allerdings nicht sein. Viel eher sahen ihn die Produktentwickler bei Mercedes-Benz als eleganten und schnellen Tourenwagen, der sich auch im Alltag als Gebrauchsfahrzeug bewegen lässt.
„Wunschtraum für Tausende“
In dieser Rolle akzeptierte auch das Publikum den 190 SL. Als die Serie des Roadsters schließlich Mitte 1955 anlief, fasste die „Motorrundschau“ treffend zusammen, was viele über den 190 SL dachten: „Der Wunschtraum für Tausende, für die der 300 SL unerreichbar ist.“
Der 190 SL faszinierte vor allem durch seine optischen Eigenschaften. Noch heute gilt das Design als eines der gelungensten der ganzen Automobilgeschichte und steht dem in den Grundproportionen und vielen Details ähnlichen 300 SL nicht nach. Der Fahrer oder die Fahrerin blickten über die lange, niedrige Motorhaube auf die Fahrbahn. Vollständig versenkbare Seitenscheiben gewährten Rundumsicht und boten ungetrübtes Open-Air-Vergnügen. Die großen Instrumente lagen perfekt im Blickfeld. Das gesamte Ambiente vermittelte reines Sportwagengefühl. Das Fachblatt „auto motor und sport“ lobte auch das Roadster-Verdeck: Es sei „von einer Güte, wie es außer in Sindelfingen nur noch an wenigen Orten der Welt gefertigt wird. Der jederzeit mögliche schnelle Wechsel zwischen offenem und geschlossenem Fahren ist ein großer Vorzug des 190 SL.“
Bewährte Technik für sportlichen Fahrspaß
Das änderte sich auch nicht, wenn der 190 SL in Bewegung gesetzt wurde. Die
Basis für den Mercedes-Roadster bildete die Limousine des Typs 180. Obwohl das Gesicht des 190 SL wie das etwas verkleinerte Abbild des 300 SL wirkte, hatte er keinen aufwändigen Gitterrohrrahmen, sondern die außerordentliche verwindungssteife Rahmenboden-Anlage der Limousine als Rückgrat. Die von Rennwagen übernommene aufwändige Eingelenk-Pendelachse mit tief gelegtem Drehpunkt sorgte für hervorragende Bodenhaftung und bot damit die besten Voraussetzungen für eine weit überdurchschnittliche Straßen- und Kurvenlage. Auch die Vorderradaufhängung einschließlich des Fahrschemel-Konzepts stammte von den Modellen 180 und trug im 190 SL ebenfalls zum damals hoch gelobten Fahrverhalten bei, das durchaus sportlichen Charakter zeigte.
Unter der langen Motorhaube arbeitete ein neu entwickelter Vierzylinder mit
1,9 Liter Hubraum, oben liegender Nockenwelle und zwei Horizontal-Stufenvergasern. Das Triebwerk leistete bei einer Verdichtung von 8,5: 1 kräftige 105 PS. Damit erreichte der Zweisitzer eine Geschwindigkeit von deutlich über 170 km/h und beschleunigte etwa in 14 Sekunden von null auf 100 km/h.
Lieferbar war der 190 SL von Anfang an als Roadster mit Stoffverdeck sowie mit abnehmbarem Hardtop, wahlweise mit oder ohne Verdeck. Außerdem gab es als Sonderausstattung zunächst noch eine Ausführung für den Sporteinsatz mit leichteren Seitentüren mit Armausschnitt, demontierten Stoßstangen sowie einem kleinen Plexiglasschild vor dem Fahrer, das die Windschutzscheibe ersetzte. Die Oberste Nationale Sportkommission (ONS) genehmigte diese Sportversion nicht. Deshalb wurde sie im März 1956 gestrichen. Das bedeutete zwar das Ende einer möglichen Sportkarriere für den 190 SL in Europa, aber 1956 belegte er beim
Großen Preis von Portugiesisch Mação den zweiten Platz und wurde Klassenbester. 1958 errang er den Klassensieg bei der Hongkong-Rallye. Sportliche Meriten verdiente sich der 190 SL schließlich auch noch, nachdem ihm 1961 ein Dieselmotor eingepflanzt wurde, mit dem er viele Dieselrekorde fuhr.
Produziert wurde der Mercedes-Benz 190 SL bis zum Jahre 1963. Wie beliebt und erfolgreich der Zweisitzer war, zeigen auch die Produktionszahlen: Zwischen Mai 1955 und Februar 1963 entstanden in Sindelfingen 25 881 Exemplare – weit mehr als seine Entwickler geplant hatten.
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