Zeitgemäße Ingenieurskunst: Der Olympia Rekord gilt zu Recht als repräsentative Stil-Ikone der 50er und 60er Jahre. Mitte der 50er Jahre nimmt das deutsche Wirtschaftswunder Fahrt auf:
Der brummende Wirtschaftsmotor ist überall zu spüren, natürlich auch in der Autoindustrie. Das Verkehrsaufkommen nimmt stark zu; 1957 wird die Geschwindigkeit in Ortschaften auf 50 km/h begrenzt. Und ein bis heute meist ungeliebter Weggefährte kreuzt zum ersten Mal den Weg der Autofahrer: Die ersten Radarfallen verrichten stoisch ihren Dienst. Noch mehr Aufmerksamkeit, allerdings in ungleich angenehmerer Weise, erregt vor genau einem halben Jahrhundert ein neues Mittelklasse-Modell aus Rüsselsheim: der Opel Olympia Rekord P1.
Vollsicht-Panorama-Windschutzscheibe und progressive Federung
Seine Premiere feiert der „Neue“ auf der Internationalen Automobilausstellung Frankfurt 1957. Vor allem sein Design begeistert Besucher wie Fachpresse gleichermaßen. Geschickt haben die Opel-Designer bei ihrem neuen Mittelklasse-Modell amerikanische Stilelemente mit europäischen Dimensionen kombiniert. Der Olympia Rekord – intern P1 genannt („P“ für Panorama) – präsentiert sich als durchgestyltes und perfekt dem Zeitgeist angepasstes Fahrzeug. Die neuartige Panorama-Windschutzscheibe, die weit in die Seitenpartie hineinragt, gibt dem Opel den gewissen Chic amerikanischer Lebensart, die in den Nachkriegsjahren auch die Deutschen begeistert. Mit zarten Pastelltönen, mutigen Zweifarbenlackierungen und einer außergewöhnlichen Mischung aus Eleganz und Zweckmäßigkeit trifft Opel auf die Begeisterung der Kundschaft. Der Neuling wird als „Traumwagen für jedermann“ gefeiert.
6.385 Mark für den Olympia Rekord P1 mit 45 PS starkem 1,5-Liter-Motor sind Ende der 50er Jahre ein höchst attraktives Angebot.
Eleganz, Harmonie und Wirtschaftlichkeit
Die Erfolgskomponenten des zunächst als Zweitürer angebotenen Olympia Rekord P1 sind die selbsttragende Ganzstahl-Karosserie, der bewährte Vierzylinder-Grauguss-Motor, der die Limousine bei Bedarf auf beachtliche 125 km/h Höchstgeschwindigkeit beschleunigt, und die von den Kunden so geschätzte Zuverlässigkeit und Wirtschaftlichkeit, zu der auch der günstige Kraftstoffverbrauch von 8,6 Litern auf 100 Kilometer beiträgt. Absolut neu sind neben dem wegweisenden Design die Ausstattung und das Fahrwerk mit erstmals progressiver Federung. Dies trägt, kombiniert mit seiner breiten Spur und dem tiefen Schwerpunkt, zum hohen Fahrkomfort und der aktiven Sicherheit des Olympia Rekord P1 bei. Im Innenraum dominieren – Opel-typisch – Ergonomie und Komfort, womit sich der P1 auf Kapitän-Niveau bewegt. Einen besonderen Fortschritt stellen die aus Sicherheitsgründen versenkt angebrachten Bedienknöpfe und der neuartige Instrumententräger mit Trommel-Tachometer dar. Bei ihm wandert die Geschwindigkeitsanzeige als farbiger Balken über die waagerechte Skala.
Begeistert die Öffentlichkeit insbesondere das Äußere des P1, so steckt doch viel mehr unter dem schön geformten Blech als nur Eleganz und Harmonie: Die fahrgünstig niedrige Bauweise, die windschlüpfig-glatten Flächen, die weit gewölbte Panoramascheibe, die viel Licht in das Wageninnere lässt, und – nicht zu übersehen – die großen Blinkleuchten, die auch zur Seite strahlen, sind vor allem von Funktionalität und Sicherheit geprägt. Ein Beispiel: Die Windschutzscheibe bietet durch ihre bogenförmige Wölbung eine 92-prozentige Rundumsicht, so dass man das Verkehrsgeschehen gut überblicken kann. Auf diese Weise verbindet die gut durchdachte Form Ästhetik mit praktischem Sinn und hohem Nutzen.
Olympia Rekord CarAVan und Schnell-Lieferwagen
Besonders dieser Nutzwert kommt auch bei den vielen vom „Basis-P1“ abgeleiteten Modellversionen zum Vorschein. So ist bereits der ab Oktober 1957 lieferbare CarAVan eine kleine Sensation für sich. Mit seinen elegant schräg gestellten Seitenfenstern trägt er wesentlich dazu bei, dass nach dem Erfolg der „Station Cars“ in den USA auch in Deutschland die praktischen Vielzweckwagen gesellschaftsfähig werden. Großes Plus beim neuen Modell: die um fast 20 Zentimeter verlängerte Ladefläche und die neue nach oben schwenkbare Hecktür, die bei der Konkurrenz schon bald viele Nachahmer findet.
Damit bietet der Kombi ein Maximum an Raum; die Höchstzuladung beträgt 555 Kilogramm – beachtlich für ein Fahrzeug, das fahrtechnisch ein ausgesprochener Personenwagen ist. Auf diese Weise dient der CarAVan als zweckmäßiger Transporter im Geschäft genauso wie als PKW, der Bequemlichkeit und Komfort für die ganze Familie bietet. Auf Basis des CarAVan wird auch wieder der aufgrund seines hohen Praxiswerts beliebte Schnell-Lieferwagen angeboten.
Vom Heimatmarkt zum US-Exportschlager
Der Rekord des Jahres 1957 soll aber noch aus anderen Gründen zum Meilenstein in der Rüsselsheimer Modellpalette werden: Mit seinem außergewöhnlichen Design und den vielen positiven Eigenschaften schafft er den Sprung über den großen Teich auf den anspruchsvollen amerikanischen Markt. Den dortigen Vertrieb und Service übernehmen die Buick-Händler. Schon bald rollt der Millionste Opel-Exportwagen von den Rüsselsheimer Bändern – ebenfalls ein P-Rekord.
Ab 1959 rundet der generalüberholte P1 als Viertürer das Angebot ab. Er ist wahlweise mit 1,5-Liter-Vierzylinder-Kurzhubmotor und 50 PS Leistung oder mit dem daraus entwickelten 1,7-Liter-Motor lieferbar. Durch die Vergrößerung des Hubraumes von 1.488 auf 1.680 Kubikzentimeter erreicht dieser sogar 55 PS, die dem Besitzer über 130 km/h Höchstgeschwindigkeit bescheren.
Derart breit aufgestellt, wird der P1 zu einem Erfolgsmodell. Bis zu seiner Ablösung durch den P2 im August 1960 baut Opel rund 800.000 Olympia Rekord, von denen 447.000 exportiert werden. Auf diese Weise wird der mittlerweile legendäre P1 sowohl im In- als auch im Ausland zum Verkaufsschlager und geht in die Geschichtsbücher der Opel-Entwicklung ein. 2003 wird ihm schließlich noch eine besondere Ehre zuteil: Der P1 ziert eine Wohlfahrtsmarke zu Gunsten sozialer Projekte. Feierlich nimmt der damalige Bundespräsident Johannes Rau im Schloss Bellevue die Erstdrucke der Briefmarke aus den Händen von Finanzminister Hans Eichel entgegen – mit dabei ein Olympia Rekord aus der Opel Classic-Sammlung.