Die drei Leben des weißblauen Lords

Am 22. Mai wäre BMW Ingenieur Alexander von Falkenhausen 100 Jahre alt geworden

Portrait Alexander von Falkenhausen mit Rennhelm (1966) (05/2007) - copyright: BMW
Portrait Alexander von Falkenhausen mit Rennhelm (1966) (05/2007) - copyright: BMW

München. Als Motorsportler, Konstrukteur und Versuchsfahrer prägte Alexander Freiherr von Falkenhausen wie kaum ein Anderer die Geschichte der Bayerischen Motorenwerke. Am 22. Mai 2007 wäre er 100 Jahre alt geworden.

1934 kam von Falkenhausen zu BMW. Er begann zunächst als Rennfahrer und Konstrukteur im Motorradbereich und wechselte dann zum Automobilrennsport. Nach dem Krieg gab er ein Intermezzo als eigenständiger Rennwagen-Hersteller, kehrte jedoch 1954 zu BMW zurück. Hier leitete er die Rennsportabteilung. Ab 1957 wurde er zudem Gesamtverantwortlicher für die BMW Motorenentwicklung.1976 trat von Falkenhausen als ältester Mitarbeiter des Unternehmens in den Ruhestand. Am 28.5.1989 verstarb Alexander von Falkenhausen im Alter von 92 Jahren in seiner Heimatstadt München.
Auf den ersten Blick hätte man in Alexander von Falkenhausen eine Künstler-Natur vermuten können. Doch sein unauffälliges Auftreten, sein hellwacher Verstand und seine bespiellose Vielseitigkeit verhalfen ihm zu einer einzigartigen Karriere als Ingenieur und Manager. Respektvoll wurde er "weißblauer Lord" oder "BMW Baron" genannt.

Motorradrennfahrer und Konstrukteur
Geboren in München-Schwabing wuchs der junge Alexander von Falkenhausen in einer Offiziersfamilie auf. Statt eine Offizierskarriere einzuschlagen, saß der 17-jährige Gymnasiast 1924 im Sattel seines DKW Motorrads und holte sich den ersten Rennerfolg mit einem zweiten Platz bei einem lokalen Bergrennen. Seine zunehmende Begeisterung für Motoren führte kurz darauf sogar zum Schulabbruch, denn der junge Mann bekam ein Angebot als Konstrukteur in einer kleinen Motorenfirma zu arbeiten. Nach zwei Jahren setzte von Falkenhausen die Schule fort und schloss 1928 mit dem Abitur ab. Danach studierte er an der TH München Maschinenbau und spezialisierte sich auf Kraftfahrzeuge und Flugmotoren.

Im Frühjahr 1934 hätte von Falkenhausen mit dem Ingenieurs-Diplom in der Tasche zu den Bayerischen Flugzeugwerken seines Professors Willy Messerschmidt in Augsburg gehen können, doch er war bereits seit Jahresbeginn als Werksfahrer bei den Bayerischen Motoren Werken in München unter Vertrag. Alexander von Falkenhausen war bei BMW aufgefallen, seit er sich mit selbstgebauten Motorrädern beziehungsweise mit dem englischen Fabrikat Calthorpe als hartnäckiger Gegner der BMW Fahrer und ihrer Einzylindermodelle BMW R 4 erwies.

Neben seinem Fahrervertrag für Geländerennen arbeitete von Falkenhausen als Konstrukteur im Fahrgestellbau für Motorräder. Eine entscheidende Verbesserung der Fahreigenschaften von Motorrädern war BMW 1935 mit der Einführung der Teleskopvordergabel gelungen. Alexander von Falkenhausen fügte 1936 erstmals eine Federung für das Hinterrad hinzu. Mit seinem Versuchsmotorrad vom Typ BMW R 5 startete er wieder bei Geländefahrten und gewann in der härtesten Prüfung, der Internationalen Sechstagefahrt, 1936 wie 1937 eine Goldmedaille. Das überzeugte die BMW Fahrerkollegen, die 1937 alle auf die Hinterradfederung setzten. In Serie ging von Falkenhausens Konzept ein Jahr später mit der BMW R 51.

Ab 1938 war von Falkenhausen maßgeblich an der weiteren Entwicklung der BMW Motorräder beteiligt. Mit der Militär-Seitenwagenmaschine BMW R 75 führten ihn groß angelegte Erprobungsfahrten in das unmittelbare Kriegsgebiet in Russland. Daneben war er mit weiteren militärischen Aufgaben, wie der Entwicklung eines Einmann-Panzers oder der Adaption eines Neunzylinder-Sternmotors aus dem BMW Flugmotorenprogramm zum Antrieb eines großen Kampfpanzers, gut ausgelastet: "So lange konnte der Krieg gar nicht mehr dauern, dass wir damit fertig geworden wären", charakterisiert von Falkenhausen später diese Zeit. Insgeheim kümmerte sich die verbliebene Motorrad-Mannschaft um ungewöhnliche Neukonstruktionen wie eine 350 ccm-Boxer-Maschine und ein Fahrgestell mit selbsttragendem Tank-Monocoque sowie selbsttragender Beiwagen-Karosserie.

Nach seinem Intermezzo als eigenständiger Rennwagen-Hersteller kehrte Alexander von Falkenhausen 1954 zu BMW zurück. Neben der Leitung der Rennabteilung übernahm er auch die technische Weiterentwicklung der Straßenrennmaschinen. So entstanden sowohl eine Kurzhub-Version des 500 ccm-Boxermotors als auch ein 250er-Boxer. Mit zwei Gelenken für die Kardanwelle und einer Parallelogramm-Abstützung der Hinterradschwinge konstruierte Alexander von Falkenhausen den Vorläufer des BMW Paralevers, wie er seit 1987 im Serienprogramm zu finden ist.

Automobilrennfahrer und Konstrukteur
Nach seinen ersten Erfolgen im Motorradsattel, strebte Alexander von Falkenhausen ab 1935 auch ins Automobillager von BMW. Vorerst musste er sich mit Einsätzen seines privat erworbenen Sportwagens vom Typ BMW Wartburg und kurz darauf BMW 315/1 begnügen. Zu den Zuverlässigkeitsfahrten mit dem Motorrad kamen damit auch Berg- und Rundstreckenrennen mit dem Automobil - Siege und Spitzenplatzierungen eingeschlossen. Eine Fortsetzung seiner Rennkarriere auf BMW 328 wäre der nächste logische Schritt gewesen, doch unterbrach der Zweite Weltkrieg seine sportlichen Ambitionen.

Mit seinem privaten BMW 328 startete Alexander von Falkenhausen ab 1946 schon bei den ersten Nachkriegsrennen in Deutschland. Ein Sieg und ein zweiter Platz ließen dabei auch berühmtere Kollegen aufhorchen. Für noch größeres Aufsehen sorgte er im Jahr darauf mit seinen ersten Eigenbauten. Zunächst nannte er sie wie einst seine Motorräder "Al-Fa", aus nahe liegenden Gründen taufte der findige Konstrukteur seine Rennsportwagen schnell auf AFM (Alexander von Falkenhausen-München) um. Mit einem leichten Eigenbau-Roadster, angetrieben von einem modifizierten 1,5 l-Motor auf BMW 328-Basis, konnte er 1948 die Deutsche Sportwagen-Meisterschaft gewinnen.

Neben dem Chef griffen zudem auch Berühmtheiten wie Hans Stuck sen. ins AFM-Lenkrad, der mit dem Formel 2-Monoposto-Rennwagen aus München sogar einmal in Monza den Weltmeister Ascari auf Ferrari schlagen konnte. Auch eine Schweizer Meisterschaft konnte sich AFM auf die Fahnen heften. Zwar ging Alexander von Falkenhausen als Rennwagen-Konstrukteur in die Motorsportgeschichte ein, der große wirtschaftliche Durchbruch für die Firma AFM ließ allerdings auf sich warten. Projekte zur Entwicklung von Serien-Pkw zerschlugen sich immer wieder. Das Ende der 2,0 l-Formel 2 bewog Alexander von Falkenhausen schließlich 1954 seine unternehmerische Selbstständigkeit aufzugeben und ein Angebot von BMW anzunehmen.

Nachdem er mit seiner Beifahrerin "Kitty" - Katharina Freifrau von Falkenhausen, geborene Gräfin Von der Mühle-Eckart - große internationale Erfolge vor allem bei den Alpenfahrten in Österreich, Frankreich und Jugoslawien gefeiert hatte, bestritt er mit seinem 16 Jahre alten BMW 328 noch eine letzte Saison im Rallyesport, 1956 wechselte er auf einen BMW 502. Später gewann Alexander von Falkenhausen als Privatfahrer auch auf dem BMW 600 mit dem Motorrad-Boxermotor weiterhin Rallyes und Rennen.

Vom 1. Mai 1957 an war Alexander von Falkenhausen zusätzlich Chef der BMW Motorenentwicklung. Unter seiner Leitung entstand das Antriebsaggregat des BMW 700, den er auch selbst mit großem Erfolg im Rennsport einsetzte. Mit den kleinen BMW in den Kategorien Tourenwagen und Grand Tourisme (leistungsgesteigerte Ausführungen) gewann er zwischen 1960 und 1964 nicht weniger als 17 Bergrennen im In- und Ausland und dazu noch mehrere Rallyes.

Mit dem Vierzylinder-Hochleistungsmotor der "Neuen Klasse", der 1961 im BMW 1500 Premiere feierte und dessen Konstruktion maßgeblich von Alexander von Falkenhausen beeinflusst war, stand der geeignete Antrieb für Rennfahrzeuge aller Art zur Verfügung. Die Sportausführung der viertürigen Limousine, den BMW 1800 TI/SA steuerte er 1964 selbst noch zum Sieg beim Bergrennen Eberbach und zu einer Goldmedaille bei der Rallye München-Wien-Budapest. Seinen letzten Rennsieg holte Alex von Falkenhausen am 16. August 1964, dann mit dem Rennsport-Spider BMW RS 850 beim Flugplatzrennen in Neubiberg. Rennerfolge gab es in der Familie von Falkenhausen auch weiterhin zu feiern, denn Schwiegersohn Dieter Quester war in den Werkswagen von BMW im Tourenwagensport, in der Formel 2 und in Sportwagenrennen siegreich unterwegs. Die BMW Rennabteilung beteiligte sich 1968 in allen drei Kategorien gleichzeitig.

Doch die Rennsportkarriere des Alexander von Falkenhausen war noch nicht beendet. Ein weiterer großer Moment stand ihm noch bevor. 1966 bildete der Vierzylinder-Motorblock die Basis für einen BMW Rennmotor mit vier Ventilen pro Zylinder, gesteuert von zwei oben liegenden Nockenwellen. Was das 2,0 l-Aggregat zu leisten im Stande war, zeigte sich bei Weltrekordfahrten in Hockenheim - eingebaut in einen Brabham Formel 1-Wagen. Die dort erzielten neuen Bestzeiten über 500m und eine Viertelmeile fuhr niemand anderer als der 59-jährige BMW Motorenchef Alexander von Falkenhausen persönlich.

Rennleiter
Bei AFM war Alexander von Falkenhausen Konstrukteur, Teamchef und bisweilen sogar Fahrer in einer Person. Dabei musste er lernen, mit wenigen finanziellen Mitteln im Rennsportzirkus erfolgreich zu sein. Es fehlte aber nicht nur bei der kleinen Firma stets am Geld, auch nach seinem Wechsel in die Position des Motorrad-Rennleiters zu BMW änderte sich diesbezüglich kaum etwas. Wie gern hätte er 1955 den aufstrebenden englischen Rennfahrer John Surtees für BMW unter Vertrag genommen, doch das Budget reichte nicht aus, ja man hatte die Rennbeteiligung gar offiziell aufgegeben. Trotzdem fand Alexander von Falkenhausen zusammen mit seiner eingeschworenen Mannschaft immer Mittel und Wege die BMW Rennmotorräder auf die Siegerstraße zu führen. Der Schwerpunkt lag bei den Seitenwagen-Gespannen, denn dort hatten sich die BMW RS-Boxermotoren als idealer Antrieb erwiesen. Neben den im Werk vorbereiteten Motoren für die Vertragsfahrer wurde auch die Ersatzteilversorgung für Privatfahrer bis 20 Jahre nach dem Bau der Kleinserien-Rennmaschine BMW RS im Jahr 1954 sichergestellt.

Steigende Verkaufszahlen des BMW 700 und der "Neuen Klasse" sowie seine ansteckende Leidenschaft für den Rennsport halfen Alexander von Falkenhausen den BMW Vorstand von der Notwenigkeit des Sport-Engagements zu überzeugen. So wurde der sportliche Ruf der Marke BMW in dieser Zeit endgültig gefestigt. Mit den Werkswagen vom Typ BMW 1800 TI/SA nahm man ab 1964 an den Langstrecken-Rennen um die Tourenwagen-Europameisterschaft teil. Das erste Ausrufungszeichen setzte das BMW Team 1965 mit dem Sieg bei den 24 Stunden von Spa-Francorchamps. Ein Jahr später errang Hubert Hahne sogar die Europameisterschaft auf BMW. Mit den leichteren Zweitürern BMW 2002 häuften sich später Rennsiege und Meisterschaften. So führte Alexander von Falkenhausen die BMW Mannschaft an die Spitze des europäischen Tourenwagensports.

Der Rennleiter setzte jedoch noch viel mehr in Bewegung. Seine Leidenschaft für den Motorsport wollte Alexander von Falkenhausen mit seiner ihm typischen Zielstrebigkeit als Techniker und Manager noch weiter treiben. Von der Saison 1967 bis 1971 fuhr BMW in der Formel 2 mit 1600 ccm-Vierzylindermotoren in eigenen Monoposto-Rennwagen. Ab 1973 wurden 2,0 l-Motoren verwendet und BMW Power wurde zum Maßstab in der Formel 2.

Motoren-Chef
Robert Braunschweig von der Schweizer "Automobil-Revue" formulierte einmal treffend: "Alex von Falkenhausen war ein personifizierter Verbrennungsraum." Das charakterisiert sowohl seine Aufgabe als Konstrukteur und Entwickler von Motoren, als auch seine große Passion, diese Antriebsaggregate selbst zu erproben, am Besten im sportlichen Wettbewerb. Bei BMW fand er dafür ideale Bedingungen vor. Drei Jahre nach seinem Wiedereintritt bei BMW wurde er 1957 zum Chef der Motorenentwicklung ernannt, ohne seine Funktion als Leiter der Rennabteilung aufgeben zu müssen.

In dieser Zeit setzte sich das Automobilprogramm aus den Kleinwagen BMW Isetta und BMW 600 zusammen sowie den großen Limousinen BMW 501/ 502 und den Sportwagen BMW 503/ 507. Eine Aufgabe war es, neben Leistungssteigerungen am V 8-Motor für Sporteinsätze, den vom Motorrad abgeleiteten Boxer-Zweizylinder weiterzuentwickeln. Dieser Motor diente schließlich als Antrieb für den Erfolgsschlager BMW 700. Als weiteres Ziel galt es, die klaffende Lücke zwischen Klein- und Großwagen im Produktprogramm zu schließen. Langfristige Konzepte für die Mittelklasse wurden zwar schon in 1950er Jahren gefordert, doch die wirtschaftlichen Verhältnisse bei BMW gestatteten keine sofortige Umsetzung.

Die "Neue Klasse", 1962 mit dem BMW 1500 am Markt eingeführt, sorgte nicht zuletzt mit ihrem modernen Vierzylindermotor für Aufsehen und Verkaufserfolge. Für die fünf Kurbelwellenlager, die oben liegende Nockenwelle und die besondere Brennraumform hatte Alexander von Falkenhausen als Verantwortlicher für Konstruktion und Entwicklung einige harte Diskussionen über Kosten und Aufwand mit den BMW Vorständen auszufechten. Seine Beharrlichkeit sollte sich dabei gleich in zweifacher Hinsicht auszahlen: Der BMW Vierzylinder M10 bildete in seinen Hubraumvarianten 1600, 1800 und 2000 ccm von 1962 bis 1988 das Rückgrat des Motorenangebots und erlebte zugleich als Basis der Rennmotorenentwicklung eine einzigartige Karriere.

Während im Tourenwagen-Sport stets seriennahe Motoren vorgeschrieben waren, entstanden für Formel 2- und Sportwagen neue Zylinderköpfe mit vier Ventilen pro Zylinder, gesteuert von zwei oben liegenden Nockenwellen. Die Rennmotoren lieferte BMW auch an andere Rennwagen-Hersteller und Teams, weit über 500 Exemplare sollten es werden. Die Erfolge seiner Rennwagen und

Motoren bedeuteten für Alexander von Falkenhausen immer wieder neue Motivation, noch weiter zu gehen - zuweilen auch mit zunächst abenteuerlich wirkenden Ideen. Für Sprachlosigkeit sorgte er sogar bei seinen engsten Mitarbeitern als er Weihnachten 1968 sein nächstes Projekt ankündigte: "Versuchen wir es mit einem Turbolader."

Von einigen Technikern im Hause als "Lausbuben-Streich" bezeichnet, funktionierte die Sache jedoch bestens, denn der BMW 2002 mit 280 PS statt vorher 200 PS gewann vier Läufe der Tourenwagen-Europameisterschaft 1969 und stellte damit den erneuten Titelgewinn für BMW sicher. Vier Jahre später folgte mit dem BMW 2002 turbo der erste europäische Serienwagen mit Turbolader-Motor. Als 1983 Nelson Piquet mit dem Brabham-BMW BT52 erster Formel 1-Weltmeister mit Turbomotor wurde, hatte der "weißblaue Lord" wieder sein strahlendes Siegerlächeln aufgesetzt: Mit dem Vierzylinder-Motorblock von 1962, dem Rennzylinderkopf und seiner Turbolader-Idee hatte BMW den absoluten Motorsport-Gipfel erklommen.
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